Guadua – der südamerikanische Bambus der Superlative

Stellen Sie sich vor, Sie sind ein kleiner Guadua-Halm, der gerade das Licht der Welt erblickt. Sie sind bloß wenige Zentimeter hoch, aber schon acht bis achtzehn Zentimeter dick und gucken wie ein Zuckerhut aus dem Erdreich. Wenn Sie genug Wasser und Sonne bekommen, wachsen Sie innerhalb eines Tages bis zu 12 cm und sind so nach nur sechs Monaten bei guten Verhältnissen 18 bis 30 m hoch! In Rekordzeit schieben Sie sich teleskopartig in die Höhe, wobei Ihr Umfang immer gleich bleibt. Wenn Sie Ihre Endhöhe erreicht haben, fangen Sie an, hart zu werden – nicht dicker und nicht dünner, sondern nur härter. Nach drei bis fünf Jahren sind Sie schließlich völlig ausgehärtet und richtig stark. Und genau dann könnte es passieren, dass jemand Sie mit der Machete fällt und zum Bauen verwendet…

Am Anfang steht ein großes Fragezeichen: Warum mit Bambus bauen?

Kategorien Architektur Pflanzen

Ich bin Architekt und Autor und habe mich in den letzten Jahren mit dem nachwachsenden Baustoff Bambus beschäftigt. Zusammen mit dem gemeinnützigen Verein ‚Schule fürs Leben‘ in Frankfurt und dem Projektverein ‚Escuela para la Vida‘ in Cali habe ich seit 2005 Bildungsprojekte für mittellose Kinder und Jugendliche in Kolumbien initiiert und gebaut - aus Bambus, weil es die dort heimische Waldform ist. Seitdem ist es für mich ein Supergras, weil es soviele aktuelle Probleme lösen helfen kann und zugleich alte Traditionen und Wissen der indigenen Völker wahrt. Inzwischen darf ich über diesen zukunftsweisenden Baustoff an verschiedenen Universitäten weltweit unterichten. Im November 2019 wurde ich mit dem Special Award für meine Pionierarbeit im Bauen mit Bambus im Rahmen des ‚First World Prize for Contemporary Plan Fiber-Based Architecture‘, dem ‚Fibra-Award‘, ausgezeichnet.