Therapie im Garten

Eine junge Frau kam zu mir in den ‚artort‘. Ihre Ausstrahlung, ihre Körpersprache erzählten mir von Überlastung. Bei einer Tasse Kräutertee fragte ich: „Wie geht es Dir? Wie ist deine Welt?“ Sie seufzte und sagte: „Die Decke fällt mir auf den Kopf. Der Lockdown macht mir zu schaffen.“ „Die Decke auf den Kopf“ weckte sofort einen Impuls in mir: „Raus in den Garten.“ Und das Wetter war auf meiner Seite. Es war trocken und nicht zu kühl. Und so fragte ich: „Möchtest du draußen im Freien gestalten? Da ist ja schon mal keine Decke…“ Die junge Frau nahm diese Idee dankend an und wieder einmal durfte ich Zeugin sein, wie ein Körper aufatmet, der bewusst in den Garten kommt.

Ich überreichte ihr einen Bogen festes Papier und regte an, mit diesem Blatt auf Spurensuche im Garten zu gehen und so gut es geht mit der Natur in Verbindung zu gehen. Mit großer Konzentration und einer gewissen Ehrfurcht tat sie, wie ihr geheißen. Der Bogen wurde in die Erde gedrückt und über Rinde gerieben, Grashalme als Farbträger genutzt, Blüten und abgestorbene Blätter gesammelt. Dieser künstlerische Dialog mit der Natur war kraft- und energiespendend, dass es eine helle Freude war. Und die Krönung dann der Ausdruck meiner Klientin. Sie bat mich um Pastellkreiden, da die Spuren der Gartenbegegnung sehr blass waren und sie ihrer Lust auf Farbe nachgehen wollte. Tief atmend, mit roten Backen malte sie ein farbenfrohes, prächtiges Bild, das dann noch einen Efeurahmen bekommen hat. Die anfängliche Schwere war verflogen und in ihrer Reflexion kamen einige interessante Punkte ans Tageslicht: Allein das in den Garten gehen, die Möglichkeit einen geschützten Rahmen ohne Decke und Dach zu haben, war toll. Die Inspirationssuche mit dem Papier hat den Kopf vom ‚Problem‘ zu ‚Möglichkeiten‘ gelenkt, und die Natur hat eindrucksvoll gezeigt, dass es unendlich viele Möglichkeiten gibt. Dass die Spuren nicht haltbar auf dem Papier zu sehen waren, wurde zuerst als frustrierend, dann als motivierend empfunden: Mit kräftigen Farben zu gestalten! Das Blatt zeigt jetzt eine Unterwasserwelt mit bunten Fischen, und viel Bewegung erinnert die junge Frau an ihre Lebensfreude, denn so hat sie ihr Bild genannt. Danke Garten, dass du Menschen in ihre Lebensfreude bringen kannst.

(Anmerkung der Redaktion: Natürlich hätten wir gerne das farbenfrohe Bild der Unterwasserwelt gezeigt, welches als Ergebnis der Therapiestunde im Garten entstanden ist. Aber aus nachvollziehbaren Gründen bleibt es privat. Wir bitten um Verständnis.)

Kategorien Gartentherapie Kunst Mindset

Mein Name ist Barbara Loibnegger. Ich lebe und arbeite als Kreativtrainerin und Kunsttherapeutin in meinem Atelier in Wien. Ich liebe es, Menschen zu inspirieren, ihre Prozesse und Entwicklungen zu erleben und ein Bewusstsein für ihre Kreativität zu schaffen. Dankenswerter Weise gehört eine kleine Grünfläche zum Atelier: Mitten in der Großstadt bewirtschafte ich also ein Stückchen Erde, das gemeinsam mit dem Himmel, der sich darüber spannt, ein wunderbarer Beitrag für meine KundInnen und mich ist.